Was ist Kurrent?
Das Wort Kurrent leitet sich vom Lateinischen „currere“ ‒ das „laufen“ bedeutet ‒ ab. Jedoch ist es falsch, den Begriff „Kurrentschriften“ für „deutsche Schreibschriften“ zu verwenden. Es soll lediglich ausgedrückt werden, dass es sich um eine fließend zu schreibende Verkehrsschrift handelt.
Dem gegenüber steht die Fraktur als langsam schreibbare Buchschrift.
In den Klöstern wurden die Texte in Schreibstuben vervielfältigt. Das Problem bei den Verkehrsschriften war, dass keine Einheitlichkeit der Formen herrschte. Der Schreibmeister Johann Neudörffer der Ältere (1497-1563) war nicht nur an der Schöpfung der Fraktur maßgeblich beteiligt, sondern legte mit der Entwicklung der Fraktur auch den Grundstein für die Entwicklung einer eigenständigen deutschen Schreibschrift. Er übernahm die Groß- und Kleinbuchstaben von der Fraktur, wobei er letztere vereinfachte und durch sogenannte „blinde Linien“ verband.
Maßgeblichen Einfluss auf die Weiterentwicklung der „deutschen Schreibschrift“ übte das Schreibmaterial aus. Seit der Antike gebrauchte man Rohrfedern aus Schilf. Das natürliche Rohr wird schräg angeschnitten, die Spitze gespalten. Wegen der schnellen Abnutzung muss das natürliche Rohr während des Schreibens oft nachgeschnitten werden. Seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. ersetzten in Europa Vogelfedern die Schilfrohre als Schreibgerät.
Dafür wurde der zugespitzte Mittelsteg einer Schwungfeder, meist von Gänsen, verwendet, der Federkiel. Er musste des Öfteren mit einem scharfen Federmesser kürzer geschnitten werden. Das zeitintensive Schneiden und die rasche Abnützung der Vogelkielfedern beschleunigte die Einführung der spitzen Stahlfeder, die auch Spitzfeder genannt wird. Seit 1830 wurde sie in England und 1856 in Deutschland fabrikmäßig hergestellt. Das Schriftbild der deutschen Kurrentschrift wurde über Jahrhunderte von der Spitzfeder geprägt.
Schreibmethodiker wie E.W. Hertzsprung (1854), Leopold Strahlendorff (1866) oder Adolf Henze (1870) versuchten das neue Gerät in den Schreibvorgang einzubinden. Ihre Regeln fallen durch sehr schräge Buchstaben sowie verhältnismäßig große Ober- und Unterlängen auf, was die Lesbarkeit negativ beeinflusste.
Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde die Rechtsneigung der Buchstaben etwas zurückgenommen. Es gab viele Schrifterneuerer, die als Hauptursache für den Niedergang der lateinischen als auch der deutschen Schreibschrift die Spitzfeder sahen. Deshalb versuchte man Verbesserungen zu erzielen, indem man neue Arten von Stahlfedern entwickelte: wie die Gleichzugfeder (auch Redis- oder Schnurzugfeder), Kugelspitzfeder oder die Bandzugfeder.
Einer der bekanntesten Reformer war Ludwig Sütterlin (1865-1917). Jedoch wird sein Name fälschlicherweise als Überbegriff für alle deutschen Handschriften gebraucht. Charakteristisch für den von Sütterlin geschaffenen Typ ist, dass die Buchstaben senkrecht stehen und vereinfachte Formen besitzen. Seine Schulausgangsschrift fand ab 1914 versuchsweisen, später ab 1924 verbindlichen Eingang in den preußischen Grundschulen. Bis 1930 wurde sie im Großteil der deutschen Schulen unterrichtet.
Ein weiterer Schrifterneuerer war Rudolf Koch (1876-1934), dessen Reformen sich nie so erfolgreich durchsetzen konnten wie von L.Sütterlin. Im Jahre 1927 schuf R. Koch einen eigenen Schrifttyp – die Offenbacher Schrift. Er benannte sie nach der Stadt Offenbach am Main. Obwohl die Offenbacher Schrift etliche Vorzüge besaß, wurde sie nur an einigen Schulen in Hessen unterrichtet.
Bis 1934 gab es in Deutschland keine einheitliche deutsche Schreibschrift. Im überwiegenden Teil konnten sich die Formen von Sütterlin durchsetzen, dennoch fehlte es nicht an regionalen Abweichungen wie z. B. an Bayerischen Schulen die „Volksschrift“.
Ab dem Schuljahr 1935/36 führte man eine allgemeingültige deutsche Schreibschrift ein, wobei als Vorbild der Typ von Sütterlin diente.
Das endgültige Ende sowohl der deutschen Druckschriften – Gotisch, Schwabacher und Fraktur ‒ als auch deutschen Schreibschriften führten im September 1941 die Nationalsozialisten herbei. Man diffamierte sie als „Schwabacher Judenlettern“. Ab diesem Zeitpunkt wurde die lateinische Druck- und Schreibschrift im Unterricht eingeführt.
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